Daclizumab bei schubförmiger Multipler Sklerose

Mit der Zulassung von Daclizumab (Zinbryta®) steht eine neue, wirksame Option zur Therapie der schubförmigen Multiplen Sklerose (RMS) bei erwachsenen Patienten zur Verfügung. Die Antikörpertherapie zeichnet sich durch einen zielgerichteten, reversiblen und in der Therapie der Multiplen Sklerose bisher einzigartigen Wirkmechanismus, eine Überlegenheit gegenüber Interferon beta-1a und ein positives Nutzen-Risiko Verhältnis aus. Mit monatlichen Injektionsintervallen und der subkutanen Selbstinjektion mit einer Fertigspritze bietet Daclizumab die Möglichkeit, die Therapie der Multiplen Sklerose weiter auf die persönlichen Bedürfnisse und die Lebenssituation von Patienten abzustimmen und kann damit einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, das Ziel einer langfristigen Freiheit von klinischer und messbarer Krankheitsaktivität zu erreichen.

„Der einzigartige, immunmodulatorische Wirkmechanismus von Daclizumab bietet Behandlern und Patienten neue Möglichkeiten: Daclizumab ist zur Therapie der RMS bei erwachsenen Patienten zugelassen. Durch seinen einzigartigen Wirkmechanismus erweitert Daclizumab die Therapieoption bei therapienaiven und vorbehandelten Patienten“, erläuterte Prof. Dr. Tjalf Ziemssen, Dresden, die Rationale für einen Therapiewechsel.

Daclizumab ist der erste und bislang einzige humanisierte monoklonale IgG1-Antikörper, der an CD25, die α-Untereinheit des hochaffinen Interleukin-2-Rezeptors, bindet, die auf aktivierten T-Zellen exprimiert wird. Daclizumab verhindert die Bindung von Interleukin-2 (IL-2) und blockiert dadurch vermutlich die Aktivierung autoreaktiver T-Zellen, die ein Hauptverursacher der Entzündungen im zentralen Nervensystem (ZNS) von Menschen mit MS sind. Ein weiterer Effekt dieser Modulation des IL-2-Signalwegs ist eine indirekte Stimulation und Expansion der immunregulatorischen CD56bright-NK-Zellen, die selektiv die Anzahl aktivierter T-Zellen verringern können. „Die Besonderheit ist, dass die Zahl aktivierter T-Zellen reduziert wird, ohne eine generelle Immunzelldepletion zu verursachen“, so Ziemssen. Der Abfall der Immunzellzahl nach Absetzen von Daclizumab ist innerhalb von sechs Monaten vollständig reversibel und voraussagbar.

Umfassendes Studienprogramm zur Wirksamkeit und Sicherheit:
Die immunmodulatorischen Effekte von Daclizumab auf das Auftreten von Schüben und die Behinderungsprogression wurde in klinischen Studien mit mehr als 2.200 Patienten untersucht. Bei der Zulassungsstudie DECIDE handelte es sich um eine multizentrische, doppelblinde, 1:1 randomisierte, verumkontrollierte Parallelgruppen-studie der Phase III zur Prüfung der Überlegenheit der Monotherapie mit subkutanem (s. c.) Daclizumab gegenüber intramuskulärem (i. m.) Interferon beta-1a (Avonex®) in der Schubprophylaxe als primärem Endpunkt. Der Studienzeitraum betrug mindestens zwei bis maximal drei Jahre. „Damit ist DECIDE die bisher größte und längste Phase III-Studie mit aktiver Kontrolle im Bereich der schubförmig remittierenden MS“, erklärte PD Dr. Björn Tackenberg, Marburg. Die Patienten erhielten im Rahmen der 96- bis 144-wöchigen Anwendung entweder Daclizumab einmal alle vier Wochen (n = 922) oder Interferon beta-1a 30 μg einmal wöchentlich (n = 919). „Hinsichtlich des primären Endpunkts, der jährlichen Schubrate, ergab DECIDE eine überlegene Wirksamkeit der Monotherapie mit Daclizumab im Vergleich zu Interferon beta-1a“, so Tackenberg. Die Reduktion der ARR bis zu 144 Wochen betrug unter Daclizumab signifikant 45% (im Vergleich zu Interferon beta-1a, p < 0,0001). Die Wahrscheinlichkeit einer anhaltenden Behinderungsprogression, bestätigt nach 24 Wochen, war unter Daclizumab gegenüber Interferon beta-1a über zwei bis drei Jahre um 27 Prozent reduziert (p = 0,033). „Diese Überlegenheit von Daclizumab spiegelt sich in den MRT-Endpunkten wider“, erklärte Tackenberg in Bezug auf die radiologischen Daten. „Hier reduzierte Daclizumab die detektierbare Krankheitsaktivität gegenüber Interferon beta-1a in allen untersuchten Parametern über zwei Jahre.“

SELECT war eine randomisierte, multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Studie der Phase IIb zur Wirksamkeit und Sicherheit von Daclizumab, in der 621 Patienten mit RRMS im Verhältnis 1:1:1 zu Daclizumab 150 mg (n = 208) oder Daclizumab 300 mg (n = 209) oder Placebo (n = 204) jeweils als subkutane (s. c.) Injektion alle vier Wochen über einen Zeitraum von 52 Wochen randomisiert wurden. Daclizumab in der zugelassenen Dosierung von 150 mg reduzierte die ARR im Vergleich zu Placebo über ein Jahr signifikant um 54% (p < 0,0001). Das Risiko für eine anhaltende Behinderungsprogression (bestätigt nach 24 Wochen) war gegenüber Placebo um 76% (p = 0,0037) reduziert.

Neue Möglichkeit zur individuellen Therapie der MS:
Die teilnehmenden Patienten wurden in der anschließenden, ebenfalls einjährigen randomisierten Studie SELECTION (n = 517) entweder sofort mit Daclizumab weiterbehandelt oder erhielten nach einer 24-wöchigen Auswaschphase erneut Daclizumab. Ziel der Verlängerungsstudie war die Ermittlung der Sicherheit und Immunogenität der verlängerten Behandlung mit dem Wirkstoff. „Hier zeigten sich keine verstärkten Nebenwirkungen oder eine erhöhte Immunogenität gegen Daclizumab. Insgesamt zeigte sich in den Studien ein positives Sicherheits- und Verträglichkeitsprofil“, so Tackenberg. Zu den häufigsten Nebenwirkungen, die unter Daclizumab auftraten, gehörten Nasopharyngitis, Infektionen der oberen Atemwege, Harnwegsinfektionen, Kopfschmerzen und Hautreaktionen. Nach zwei Jahren in SELECT und SELECTION konnten die Patienten in die offene Langzeitstudie SELECTED (n = 410) eingeschlossen werden, in der sie bis zu sechs Jahre weiter mit Daclizumab behandelt werden.

Stellenwert von Daclizumab:
Der neu zugelassene Wirkstoff Daclizumab (Zinbryta®) stellt mit seinem zielgerichteten, reversiblen Wirkmechanismus und der im Head-to-Head Vergleich gezeigten, überlegenen Wirksamkeit eine Erweiterung der MS-Therapieoptionen dar. Dies trägt zu einer Behandlung der Multiplen Sklerose bei, die bestmöglich an den individuellen Bedürfnissen der Patienten ausgerichtet ist, um das MS-Therapieziel Freiheit von klinischer und messbarer Krankheitsaktivität zu erreichen. „Das Therapieregime mit einmal monatlicher Gabe ist besonders für jene geeignet, die gut mit Injektionen zurechtkommen, aber den Wunsch nach einer niedrigeren Injektionsfrequenz haben“, so Ziemssen.

Quelle: JournalMED